Veränderungen der Moosflora

Veränderungen in der Höhenverbreitung (Bergamini et al. 2009)

Fragestellung

Hylocomium
Hylocomium splendens, Etagenmoos.
Diese Art zeigt ein deutliches Höherwandern ihrer
Populationen. Laut Statistik um 240 Höhenmeter!

Wir wollten die Frage beantworten, ob die Klimaerwärmung zu einer nachweisbaren Höhenverschiebung der Populationen verschiedener Moosarten geführt hat.

Vorgehen

Von zahlreichen Moosarten sind ± alle seit 1800 in der Schweiz gesammelten Belege in der Datenbank des NISM erfasst. Von diesen Arten konnten 61 mit gesamthaft 8'520 Belegen ausgewählt werden, bei denen das Datenvolumen für eine Analyse ausreichend war. Anschliessend wurde die Höhenverteilung der Funde dieser Arten im Zeitabschnitt 1880-1920 mit der Verteilung in der Periode 1980-2005 verglichen. Alle verwendeten Belege stammen von zufällig gemachten Funden, die nicht speziell für diese Studie erhoben wurden. Die Funde aller Arten waren in beiden Zeitperioden annähernd gleichmässig über die ganze Schweiz verteilt. Weil aus der 2. Untersuchungsperiode wesentlich mehr Daten vorlagen, wurden sie mit statistischen Methoden ausgedünnt, um eine bessere Vergleichbarkeit zu erreichen.

Analysen

1.  In einem ersten Schritt wurde für jede Art die mittlere Meereshöhe aller Funde in den beiden Zeitperioden berechnet und die gefundenen Unterschiede mittels Wilcoxon-Test auf Signifikanz geprüft. 
2.  Die Arten wurde dann aufgrund ihrer Ökologie in drei Gruppen eingeteilt: wärmeliebende Arten, kälteliebende und Arten mit mittleren Wärmeansprüchen. Anschliessend wurde die mittlere Höhe der Fundorte aller Arten der drei Gruppen in beiden Zeitabschnitten berechnet und verglichen. 
3.  Um allfällige Veränderungen in der Artenzusammensetzung feststellen zu können, wurde das Verhältnis wärmeliebende Arten/kälteliebende Arten für beide Zeitperioden und alle Höhenlagen (in Schritten von 100 Höhenmetern) berechnet.

Ergebnisse

Mitteler Höhe

1. Vergleich der mittleren Höhe aller Arten zwischen den Zeitperioden 1880–1920 und 1980–2005.

  • Die mittlere Höhe aller Funde ist um 89 m gestiegen. Dieser Anstieg erwies sich als signifikant.
  • Bei 22 Arten ist die mittlere Höhe der Populationen gesunken, bei 39 Arten ist sie gestiegen.

Abb. oben: Unterschiede in der mittleren Höhe zwischen den verglichenen Zeitperioden je Art. Die Arten sind gruppiert nach der Grösse der Höhenveränderung, in Schritten von 200 Höhenmetern. Weisse Balken: Abnahme, graue Balken: Zunahme. Quelle: Diversity and Distributions.

 

2. Vergleich der mittleren Höhe der drei Artengruppen mit unterschiedlichen Wärmeansprüchen

  • Die mittlere Höhe der wärmeliebenden Arten und der Arten mit mittleren Temperaturansprüchen hat sich zwischen den untersuchten Zeitabschnitten nicht verändert.
  • Die mittlere Höhe aller kälteliebenden Arten ist signifikant um 222 m angestiegen.

Abb. Mitte: mittlere Höhe der drei Artengruppen. Weisse Balken: Funde aus der Zeit 1880-1920 Graue Balken: Funde aus der Zeit 1980-2005. Quelle: Diversity and Distributions.

 

3. Verhältnis wärmeliebende/kälteliebende Arten

  • Der Anteil Funde wärmeliebender Arten ist in den unteren Höhenlagen deutlich gestiegen.
  • In Höhen oberhalb 1200 m ist das Verhältnis wärmeliebende/kälteliebende Arten in beiden Zeitabschnitten nahezu gleich.

Abb. unten: Verhältnis Funde wärmeliebender Arten zu Funde kälteliebender Arten in verschiedenen Höhenlagen für beide Zeitabschnitte. Weisse Punkte: Funde aus der Zeit 1880-1920, Schwarze Punkte: Funde aus der Zeit 1980-2005. Quelle: Diversity and Distributions.

Schlussfolgerungen

  • Die Populationen der untersuchten Moosarten sind in den letzten 100 Jahren im Durchschnitt rund 90 m höher gestiegen.
  • Besonders betroffen sind Populationen kälteliebender Arten. Diese sind um durchschnittlich 222 m höher gewandert.
  • In tieferen Lagen verschwinden die Populationen kälteliebender Arten zunehmend.
  • Diese Entwicklung stimmt gut überein mit den beobachteten Veränderungen bei Blütenpflanzen und ist mit einiger Sicherheit auf die Klimaerwärmung in den letzten Jahrzehnten zurückzuführen.

Literatur

Bergamini A., Ungricht S., Hofmann H. 2009. An elevational shift of cryophilous bryophytes in the last century – an effect of climate warming? — Diversity and Distributions 15: 871-879.


Autorin: H. Hofmann  1.2011